06.02.14 19:08
Franke Administrator
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Teil 5.1 – was für ein Mensch ist dieser Nascimento überhaupt...
ich bin nicht besser als alle Anderen, schnell wird eine vorgefertigte Meinung Anderer über Andere übernommen. Nascimento war nicht gerade der unbedingt gern gesehene Besuch am Abend in unserer Casa, unserem Haus. Aber ich bin nicht mehr in Europa, in Deutschland, ich bin in Afrika und ich durfte dieses Afrika auch über viele Jahre ein klein wenig miterleben. Hier ist nicht immer alles Schwarze schwarz und nicht alles Weiße weiß. Hier gibt es noch Zwischentöne, die wir selbst leider schon lange vergessen haben zu erkennen. Wir sind es gewohnt, die Woche in sieben Tage aufzuteilen, kein Platz ist mehr dazwischen in unserer eigenen und doch so kleinen, winzigen Welt. Aber ich bin in Afrika...
Nascimento ist verantwortlich für die gesamte Elektrik im Ort, eingestellt vom Gouverno. Er hat keinen Beruf als Elektriker erlernt, aber sich viel Fachwissen angeeignet. Er beherrscht dieses Handwerk wirklich gut. Jeden Abend, wenn der Generator für ein paar Stunden unser Oncocua mit Strom versorgt, macht er seine Runde, und alles wird überprüft. Fast jede Casa bis hin zur kleinen Lehmhütte wurde durch einfache Oberleitungen an das örtliche Stromnetz verdrahtet. Einfach, aber effizient. Natürlich kommt er auf seiner Runde immer an unserer Casa auf ein kleines Gespräch vorbei, einfach nur, um Hallo zu sagen. Er ist nicht gerade der erwartete Besuch, aber keiner hat sich dies anmerken lassen. Nachdem ich mir nach jedem Handschlag die Hände gleich dreimal gewaschen habe, denn er soll ja irgendwie krank sein, wurde mir gesagt, habe ich mich gefragt, was machst du hier gerade. Warum nehme ich mir das Recht heraus, über jemanden zu urteilen, den ich selbst überhaupt nicht kenne. Ich glaube, das war eine der wichtigsten Fragen für mich überhaupt, ich habe durch diese Frage sehr viel dazu gelernt und Menschen kennen gelernt, wie sie wirklich sind.
Wir glauben fest an unsere Werte und dass wir mit unseren Hilfslieferungen und Spenden die Wohltat in diese Welt bringen. Das zweifle ich auch nicht an, für den Moment, in dem unsere Hilfe Leben retten kann. Aber es ist genauso wichtig, auf diese Menschen zuzugehen, einfach nur einmal zuhören, um sie und ihre kleinen Probleme zu verstehen. Ich habe mich deshalb zu ihnen vor ihren Lehmhütten gesetzt, und wir haben über Gott und die Welt gesprochen. Wir haben uns über alltägliche Probleme unterhalten, von der neu erstandenen Ziege bis hin zur nächsten Bolea (Fahrt in die nächste Stadt). Wir haben zusammen gesessen und gegessen, auch wenn sie noch so wenig haben, wurde ich eingeladen, und alles wurde mit mir immer geteilt. Augenblicke, die ich genossen habe und nie vergessen werde. Einfach nur Mensch sein.
Ich habe etwas sehr wichtiges dazu gelernt, dass das zwischenmenschliche Gespräch und das einander Verstehen kein Geld dieser Welt ersetzen kann. Mein Portugiesisch empfinde ich selbst heute noch als mehr als schrecklich, aber wir haben uns immer verstanden, da ist eine Menge Herz und Einfühlsamkeit dabei, und es gehören immer zwei dazu. Das ist Afrika, mein Afrika.
Die ersten Gespräche mit Nascimento habe ich als sehr angenehm empfunden. Er war nicht wirklich aufdringlich, er wollte einfach nur mal auf seiner abendlichen Runde Hallo sagen. Ich bin am Abend gern in unseren Ortskern auf ein Bier gegangen. Hier traf man sich, kleine Läden haben das Nötigste zum Leben angeboten, und der einzige Fernseher im Ort war natürlich der begehrte Mittelpunkt. Die Telenovelas aus Brasilien waren einfach nur schrecklich, genauso schrecklich wie das Deutsche Fernsehprogramm. (unsere Welt ist wirklich dem Untergang geweiht) Natürlich habe ich mit Nascimento hier auch gemeinsam mal ein Bier getrunken und einen Menschen kennengelernt, der mich sehr beeindruckte. Nascimento wird heute 45 Jahre alt sein, er kommt aus dem Kreis Corocua und ist nach dem Bürgerkrieg nach Oncocua gezogen. Oncocua war nach dem Bürgerkrieg nicht unbedeutend und durch unsere Hilfsorganisation auch ein recht attraktiver Arbeitgeber.
Als Kind ist er noch in der Kolonialzeit der Portugiesen aufgewachsen. Seine Jugend hat er in der angolanischen Armee der FAPLA im Bürgerkrieg erlebt. Die schlimmste Zeit seines Lebens. Er hat gegen die UNITA von Savimbi gekämft, die durch unseren Weltbeherrscher, den USA, mehr als nur unterstützt wurde, und auch gegen Südafrika, die im Namen der USA versucht haben, wie die Heuschrecken in dieses Land einzufallen. Die Südafrikaner wurden dann aber mit Hilfe der Kubaner bei ihrem Einfall in Angola gestoppt, und ihnen wurde so richtig der Arsch versohlt, sie sind wieder ab nach Südafrika gerannt, um ihr Leben gerannt. Ein stolzes Volk, meine Angolaner! Eine Zeit, an die sich Nascimento nicht so gern zurückerinnert. Er hat Verletzungen erlitten und ein klein wenig auch etwas von seiner Seele verloren.
weiter im Teil 5.2
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